Warum engagiere ich mich seit Jahren als Ehrenamtlicher in unserer Gemeinde und warum bin ich Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschland geworden?

Diese Frage beantwortet ausführlich das SPD-Mitglied unserer Nachbargemeinde Kammerstein, Willi Lemke. Weil er sich mit der Situation eines Sozialdemokraten ausführlich auseinandersetzt, die Probleme mit seiner Umwelt und der SPD schildert, aber auch erklärt, warum er sich dennoch in der SPD und als Ehrenamtlicher engagiert, haben wir seinen Artikel bei uns aufgenommen und empfehlen Ihnen sehr, ihn zu lesen, trotz seiner Länge!

Willi Lemke schreibt auf der Kammersteiner Homepage:

"Wenn Sie Probleme mit dem Lesen von SPD-Blättern haben, sollten Sie diesen offenen Brief gleich in den Papierkorb werfen. Wenn Sie offen sind für ehrliche Aussagen, dann bitte ich Sie, heute um etwas Aufmerksamkeit.

Im Jahre 1976 fasste ich den Entschluss, Nürnberg zu verlassen und mir auf dem Land eine neue Heimat zu suchen. Meine Wahl fiel damals auf die kleine Gemeinde Barthelmesaurach, südlich von Schwabach. Auch in meinem neuen Umfeld suchte ich sofort nach Möglichkeiten, mich ehrenamtlich zu engagieren, so wie schon jahrelang zuvor in Nürnberg.

Schnell fand ich mein erstes Betätigungsfeld, unseren SVB, den Sportverein Barthelmesaurach. Ebenso schnell hatte ich mein erstes Amt; ich gründete mit Hilfe weiterer Mitglieder den ersten “Vergnügungsausschuss” des SV Barthelmesaurach. Ein Jahr später nahmen Dieter Teufel und ich die sechs- bis zehnjährigen Buben an die Hand und wir begannen mit dem Fussballtraining, um anschließend an den Punkterunden teilzunehmen. Viele der damaligen Knirpse, wie unser “Grille”, wurden erfolgreiche Fußballspieler für den SVB.

Durch die Wahl 1978 fand ich den ersten Kontakt zu der Kammersteiner SPD. Es war der Beginn der Freundschaft zwischen mir und Egon Braun, die alle Höhen und Tiefen bis Heute überdauert hat, auch wenn ich heute leider etwas weniger Zeit für diese Freundschaft zur Verfügung habe. Es folgten viele ehrenamtliche Tätigkeiten wie Gemeinderat, 2. Vorsitzender im Wasserzweckverband, 1. oder 2. Vorsitzender unseres SPD Ortsvereines und Mitglied im Unterbezirksvorstand der SPD. Alle genannten Ämter waren mehr oder weniger zeitlich begrenzt, doch bei meinem SVB verging, zu meiner Freude, kein Jahr ohne ein Ehrenamt.

An dieser Stelle möchte ich alle Bürgerinnen und Bürger und hier vor Allem die Jüngeren unter Ihnen ansprechen, sich für das Ehrenamt zu engagieren. Egal, welches Ehrenamt man wählt, es bringt manchmal viel Arbeit, aber es macht auch immer sehr viel Spass, auch wenn es immer wieder Mitbürger gibt, denen man nichts recht machen kann, doch die sind in der Minderheit und man sollte nicht auf sie hören. Aber man darf oder sollte ein Ehrenamt auch nicht zur persönlichen Profilierung anstreben. Kennedy sagte einmal treffend dazu: 'Frage nicht dein Land was es für dich tun kann, sondern frage dich, was du für dein Land tun kannst'.

Seit ich 1974 Mitglied der SPD wurde, bin ich immer wieder gefragt worden, welcher Umstand mich dazu getrieben hat, für mich diese politische Entscheidung zu treffen. Meine Antwort war früher eigentlich immer recht einfach: Ich bin ein 68er, ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und die Politik von Willi Brandt gefällt mir. Als ich 1978 bei einen großen bayerischen Hersteller beschäftigt war und beruflich nationale Verantwortung übernahm, waren die Fragesteller mit dieser einfachen Antwort nicht mehr zufrieden zu stellen.

Wenn man die Pflicht und die Aufgabe hat, unternehmerisch zu denken, so war die damalige Denkweise, kann man nicht sozial-demokratisches Gedankengut vor sich hertragen. Also, um nicht ohne Argumente dazustehen, musste ich mich intensiver mit der SPD, ihrer Herkunft und ihren Zielen auseinandersetzen.

Sehr schnell habe ich damals, als überzeugter Demokrat, herausgefunden, dass die SPD nicht nur als das demokratische Rückgrat der Geschichte Deutschlands anzusehen ist, sondern darüber hinaus von ganz Europa. Ohne übertreiben zu wollen, kann man mit dem Wissen von heute sagen: Ohne die SPD wäre der Zug der Demokratie in Europa wesentlich langsamer vorangekommen. Im Unterschied zu den Liberalen, denen es ausreicht, demokratische Rechte in die Verfassung aufzunehmen, haben die Sozialdemokraten immer gewusst, dass eine demokratische Emanzipation nur gelingen kann, wenn es zugleich auch eine soziale Emanzipation geben wird. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, bei denen jeder Mensch die gleichen Chancen hat und zwar unabhängig vom Einkommen der Eltern, von Rasse, von Geschlecht und von der Religion.

Für dieses Ziel haben Sozialdemokraten 150 Jahre gekämpft, ohne einmal den Namen zu wechseln und im Gegensatz zu Sozialisten und Kommunisten hat die SPD immer wieder versucht, diese Ziele nicht mit Hilfe von Revolutionen und Bürgerkriegen, sondern nur mit der Durchsetzung von Reformen zu erreichen und dabei war sie, unsere SPD und ihre Freunde, bis in unsere heutige Zeit sehr erfolgreich geblieben.

10 Jahre später, ich war schon fast 9 Jahre ein Kammersteiner Bürger, wechselte ich in die Führungsetage eines Nürnberger Konzerns. Auch hier hatte ich wieder Schwierigkeiten mit meiner Mitgliedschaft in der SPD. Scherzhafterweise wurde ich anfangs von meinen Kollegen immer als der "Alibisozi" bezeichnet, den jeder Betrieb einfach vertragen muss. Doch es war manchmal peinlich, feststellen zu müssen, dass die meisten dieser Leute den Begriff "Sozi" noch nicht einmal richtig interpretieren konnten.

„Sozial“ deutet nämlich den Bezug einer Person auf andere Personen, dies beinhaltet die Fähigkeit, sich für andere zu interessieren, sich einfühlen zu können, das Wohl Anderer im Auge zu behalten oder auch fürsorglich an die Allgemeinheit zu denken. Aber es bedeutet auch, anderen zu helfen und nicht nur an sich selbst zu denken.

Kein großer Unterschied zur Interpretation von „christlich“, doch von den sogenannten „Christlichen Parteien“ nicht ehrlich gelebt. Also wurde in den Folgejahren zwangsläufig das Thema Wirtschaft immer mehr in den Mittelpunkt der Diskussionen gestellt. Doch auch hier war es für mich eine Freude, über die Wirtschaftskompetenz der SPD zu diskutieren. Ich musste nicht in das vergangene Jahrhundert zurück, nein nur bis 1966, da war Deutschland bekannterweise wirtschaftlich am Ende. Durch die große Koalition war es möglich, das Ruder herumzureißen und die Hauptverantwortlichen für Wirtschaftsfragen "Plüsch und Plumm", das waren Schiller und Strauß, zogen den Karren gemeinsam aus dem Dreck.

Ab 1969 ging es in Deutschland, unter der Führung der SPD, wieder aufwärts, den arbeitenden Menschen ging es finanziell so gut wie nie zuvor, die Ölkrise wurde gemeistert und im kalten Krieg wurde Rückgrat bewiesen. Der damalige, absolut notwendige Nato-Doppelbeschluss wurde von Kanzler Schmidt gegen die Überzeugung der Basis durchgesetzt.

Hier entstand die erste Spaltung zwischen den Mitgliedern und der SPD und viele Freunde drehten der SPD den Rücken zu. In diese Missstimmung innerhalb der SPD zielte der Pfeil der Industrie, der die soziale Politik der SPD schon lange ein Dorn im Auge war, um einen Politikwechsel herbeizuführen. Wie wir alle wissen, mit deutlichem Erfolg.

Es folgten 16 Jahre, um es übertrieben zu formulieren, in totaler Agonie. Wenn in dieser Zeit nicht die Wende stattgefunden hätte, wüssten wir gar nicht, was wir aus dieser Zeit unseren Kindern und Enkeln erzählen könnten. Doch, es gab zwei bedeutende Ereignisse in dieser Zeit, die unser aller Leben auch noch für die nächsten Jahrzehnte beeinflussen werden.

Erstens die Gründung der Partei 'Die Grünen' und hier muss ich auch als Sozi sagen: Gottseidank. Alle Parteien hatten die Umwelt im Programm, doch keiner engagierte sich dafür. Zweitens die einsame Entscheidung von Kanzler Kohl, die Kosten der Einheit durch die Sozialkassen und nicht durch die Steuer zu finanzieren, eine Entscheidung, die nur dazu diente, eine Wahl zu gewinnen, es reichte leider sogar noch für eine Zweite. Unter diesen Belastungen leidet unser Sozialsystem noch heute.

Mittlerweile hatte ich mich mit meiner Frau als Unternehmer in das Risiko der Selbstständigkeit begeben, natürlich ohne meine sozialen Wurzeln zu vergessen. Die SPD aber stand 1998 vor der fast unlösbaren Aufgabe, 16 Jahre Agonie aufzuarbeiten, so schnell als möglich mit Hilfe der Grünen die Reformen einzuleiten, die für uns Alle so notwendig waren.

Es waren schmerzhafte Einschnitte, die dann in der zweiten Legislaturperiode nur noch von der Agenda 2010 getoppt werden konnten. Hier wurde nach dem Nato-Doppelbeschluss ein zweites Mal ein schmerzhafter Schnitt in unserem Fleisch vollzogen. Warum mussten ausgerechnet wir Sozialdemokraten neue Gesetze vorlegen und beschließen, die zu Lasten unserer Klientel der Arbeiter und Angestellten gingen?

Es gab eine einfache Antwort: Die, die vorher die Verantwortung trugen, waren entweder zu faul oder zu feige und wir, die SPD, hatten in diesen Momenten leider oder Gottseidank die Entscheidungshoheit. Mit dem Wissen, viele unserer Mitglieder zu verlieren, haben wir mit den Grünen zusammen diese Agenda zur Abstimmung gebracht, die dann auch scheinheilig von der CDU/CSU mitgetragen wurde. Es kam, wie es kommen musste, wir wurden für diese Entscheidung abgestraft und verloren die nächste Wahl. Die scheinheiligen Gewinner ernten seitdem das, was bis 2005 verantwortungsvolle mutige Politiker gesät hatten.

Auch letztens wurde wieder von Seiten der Industrie und einer bestimmten Presse alles getan, um einen Wahlerfolg der SPD zu verhindern. Jeder Wimpernschlag von Peer Steinbrück wurde analysiert und wehe, er sagte mal wieder die Wahrheit, schon wurden die Zeitungen und die Stammtische zu den Entscheidungszentren der Politik. Es kam, wie es kommen musste, der mündige Bürger hat über uns und unsere Heimat entschieden. Ob er alle Folgen seines Tun in Betracht gezogen hat, ist heute fraglich.

Deutschland als unsere Heimat war der Sozialdemokratie immer das Wichtigste gewesen, gegen alle Widerstände, egal ob von Innen oder von Außen. Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass ich stolz darauf bin, Mitglied in der SPD zu sein.

Es hat auch etwas mit unserer deutschen Vergangenheit zu tun, dass ich so stolz bin. Obwohl die Schergen der SA 1933 die Abgeordneten der SPD bedrohten, hatten nur sie den Mut, gegen das von Hitler erzwungene Ermächtigungsgesetz zu stimmen. Viele Politiker die nach 1945 wieder in Amt und Würden waren und für die Erstellung und Einhaltung unserer heutigen Gesetze die Verantwortung trugen, leider auch mein Idol "Papa Heuß", stimmten 1933 mit Hitler für das Ermächtigungsgesetz. Erst dadurch wurde das Dritte Reich möglich.

Haben Sie heute den Mut, mit uns für die Ziele der SPD zu kämpfen!!!"

Willi Lemke, Barthelmesaurach